Was für eine gute Nachricht: es gibt sie noch, die kantonale Schulhoheit! Dabei musste man schon befürchten, die Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) diktiere nun vollends die Entwicklung der Bildungslandschaft Schweiz, denn die Abläufe bei den Reformen der letzten Jahre wiederholten sich.

Kaum beschliesst die EDK: „Wir bauen den Kindergarten zur Basisstufe um!“, wird die Schweiz mit „Informationen“ zur Verschiedenartigkeit des Entwicklungsstandes von Kindergarten-Kindern bearbeitet. Am Schluss glauben alle, es sei eigentlich gar nicht möglich, Kinder in Jahrgangsklassen zu unterrichten – das wäre ja eine reine Vergewaltigung! Den Kindergärtnerinnen wird eingeredet, ihr Beruf sei weniger geschätzt als derjenige der Lehrer, das sehe man ja schon am Lohn-Niveau. Und Voilà: überall beginnt ein Umbau in Richtung Basisstufe. Zwar ist politisch noch nichts beschlossen und die öffentliche Debatte noch nicht geführt, aber mit der Ausbildung der neuen Lehrkräfte wird schon mal begonnen. So werden Tatsachen geschaffen. Die EDK scheint eine seltsame Auffassung von Demokratie zu haben.

Und nun kommt die EDK mit der gloriosen Idee, die Schweizer Schulen seien alle gleich zu schalten. Im ganzen Land vernimmt man Berichte über Kinder, die nach einem Kantonswechsel in der Schule keine Chance mehr haben. Das Problem erscheint riesig und im aktuellen Schul-System unlösbar. Weder die Anzahl der Betroffenen noch alternative Unterstützungs-Möglichkeiten werden diskutiert. Dass bei diesem radikalen Schul-Umbau kantonale Juwele, wie zum Beispiel die Bezirksschule (Kt. SO/AG), dem Untergang geweiht werden, ohne dass darüber eine ernsthafte Diskussion geführt wird, ist der EDK offenbar egal, sonst würde sie das nicht in Kauf nehmen. Alles wird dem Ziel geopfert, die Schweizer Schulen zum Gleichschritt zu bringen. Aber warum eigentlich? Wirklich wegen der paar Kinder, die mit einem Schulwechsel tatsächlich Schwierigkeiten haben? Muss man dafür die ganze Schweizer Schule auf den Kopf stellen?

Bei näherer Betrachtung des Lehrplanes 21 stellt man fest, dass hier ein ausländisches System in der Schweiz eingeführt werden soll. Das Kompetenzen-Konzept wurde nämlich in den internationalen Organisationen UNESCO und OECD entwickelt und wurde inzwischen in vielen Ländern übernommen. Problematisch daran ist die Akzentverschiebung, weg von der humanistischen Menschen-Bildung hin zu einem System zur Messung von Leistungsfähigkeit. Aber wollen wir das wirklich? Bis jetzt hatten wir den Anspruch, dass unsere Kinder in der Schule in Körper, Verstand, Gemüt und Charakter gebildet werden; dass die Schule das Pflichtbewusstsein, die Arbeitsfreudigkeit, die Festigkeit in der Überzeugung, das Streben nach Wahrheit, Offenheit und Freiheit fördert; dass sie die Basis der Befähigung zur Selbsterziehung im Sinne der Aufklärung, der Humanität und der Toleranz legt (ZH, 1978). All dies ist mit einer Output-orientierten „abhak-Ausbildung“ überhaupt nicht zu vergleichen. Man könnte fast meinen, es würden neuerdings lebende Roboter ausgebildet, mit dem Ziel sie in einem globalisierten, maximal gewinn-orientierten Produktions-Prozess möglichst störungsfrei auswechseln zu können, wie eine durchgebrannte Sicherung.

Der Bevölkerung wird diese Neuerung als ganz selbstverständlich und unumgänglich dargestellt. Die Jahrgänge der Schulgesetze müssen dafür herhalten, das ganze System als total veraltet darzustellen. Es soll der Eindruck entstehen, beim bestehenden System zu bleiben wäre geradezu grotesk. Dass das Bestehende sich aber auch bewährt hat, wird verschwiegen.

Man fragt sich, wer eigentlich diese mittlerweile chronische Reformitis anschiebt. Glaubt man der Deutschen Tonja Bieber (Universität Bremen, sfb597), sind es internationale Organisationen, welche mit subtilen Lenkungsmanövern solche Prozesse auslösen. Am Schluss des Prozesses steht nicht weniger als der Umbau der Schweiz, zum Beispiel die Abkehr vom föderalistischen Prinzip. Das Muster, nach dem dieser Umbau organisiert wird, ist einfach: Problem behaupten, „Standards“ aus dem Ausland als Lösung proklamieren, Experten im Inland als Promotoren hochspielen und schon beginnt der Umbau!

Und jetzt kommt plötzlich so ein Kanton daher und erfrecht sich, die Pläne der EDK zurückzuweisen, den Lehrplan 21 abzulehnen? Damit hat die EDK nicht gerechnet! Düpiert erklärt sie, sie sei „etwas überrascht“ über den Entscheid der Basellandschäftler Regierung. Die EKD habe ja gar nicht danach gefragt, ob die Kantone den LP21 annehmen oder ablehnen wollten. Man könnte fast meinen, der EDK sei nicht bewusst, dass die Kantone ihr keineswegs unterstehen.

Die verschnupfte Reaktion der vermeintlichen „Hoheit“ löst ein Schmunzeln aus. Dem Kanton Baselland aber gratulieren wir und hoffen, dass sich auch andere Kantonsregierungen besinnen: Die EDK kann Vorschläge machen, über die Schule bestimmen kann aber nach wie vor nur der Kanton.

Ariane Roth, Unterbözberg